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Alltagslyrik

all those who wondra

Unter den Nägeln sitzt er,
der Erdbeerschaum, während ich
aus(b)renne; Nervenbahnen stra-
(s)pazieren durch Butter, Brezeln,
Zeit, Konfetti, wo es doch nur
mehr Moos bräuchte, um

Alien zu sein – das – mit dem
Kaffeefilter im Gesicht, dem
Tunnel im Seelenraum, weil einfach
alles eine Lüge, Anstrengung, Ambi-
valenz mein Primärantrieb ist

Existiert das Drama nur
in meinem Orbit? Wo ist das Maß,
der Stab, auf den ich mich, ver-
lasse, ich mich, auf mich, um mich
nicht selbst zu verlieren, in cis-Sys-
T(h)emen, die jenseits des Spektrums
vegetieren und sich mir verschließen

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Alltagslyrik

under the radar

Schnecken sitzen in den Bäumen
Zwei Enden vom Regenbogen
Glückliche Gesichter, Gulli und
Drohnen im Abendlicht

Die Wut ist ein schnelles Tier
Brüllt und tritt und kratzt, wenn
die Grenzen überschritten sind,
die Nähte stechen, die Welt kalt ist

Sollen wir uns schreiben,
wenn es uns schlecht geht
Wann werden die Anderen
von unseren Geheimnissen erfahren

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Alltagslyrik

deep*ressure

Das Moos ist flauschig
Am Wegesrand, plötzlich
Riecht die Luft nach Sushi
Aufgereiht ruhen die Mobile
In den Parkbuchten

Schuld, Gefühle, Offenbarung
Erschöpfung, entmaskiert
1 geht, 1 vegetiert
1 Teig entsteht, gibt es

Überhaupt einen Unterschied
Zwischen Sarkasmus und dem,
Was ich tatsächlich fühle

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Alltagslyrik

Grüner Samstag

Den Pinsel in Sojajoghurt
tauchen die Balken lasierend
Den Geruch von Mohnstriezel
auftragen, erinnern, streichen
Gespräche über Seychellen
lauschen, Methanol und Erschöpfung

Sprachlosigkeit mit Sprachlosigkeit
begegnen, die Verspätung wegatmen
Die Gefühle und den Kinderkörper
zurücklassen, die Glasscheibe verwehrt
Abkühlung, die die Tropfen leicht fallend
bringen, den Regenbogen im Rücken

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Alltagslyrik

nature*writing

Chronisch aneinander vorbei laufend
Sind der Grünspecht und ich asynchron
Ich höre nur, wie er in der Ferne lacht
Doch ein Fasan flüchtet ins Unterholz
Nah, wo ich zuletzt die Hennen sah

Ein kleiner Trost während Flocken fallen
Die flüssig aggregiert in meinen Schuhen
Schwappen – eine Fußbadewanne, die
Ich quietschend Schritt für Schritt erhitze

Eine Vier-Gänse-Formation fliegt vorbei
Kein klassischer Stresslauf, kein Polarlicht in orange
Alles ist grau, blau, grün wie das Gefieder

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Leben

Raumzeitdiskontinuum

Dieses Jahr werde ich so alt wie mein Vater war, als er, wie er sagt, aufgewacht ist. Fast ausgestiegen aus einem Leben und dann doch noch einmal neu angefangen. Aufgehört mit der Anpassung, die keine*r bemerkt und die dennoch zerstört hat.

Ist es die Transition? Ist es diese zweite Pubertät? Oder doch einfach das Leben.
Werde ich jetzt (erst) erwachsen oder warum lerne ich so viel – eigentlich jeden Tag über mich.
Ist es eine Heilsgeschichte? Bin ich die Reinkarnation meines Vaters, sein Sohn der Messias, der gekommen ist, um sein Leben immer mindestens als eine 2+ zu empfinden.

Habe ich jetzt die Pubertät meiner Mutter, in leichten Variationen, aber in den unscharfen Untiefen und der Dramatik der gefühlten Einsamkeit präzise, noch einmal aufgeführt, um nun die assistierte Selbstheilung in einer Tour de Force der Selbstreflexion, Selbsterkenntnis und Selbstwirksamkeit des anderen Elternteils nachzuvollziehen?

Es ist unverschämt, wie viel eine Enttäuschung ist.
Es ist ein ständiges Abschiednehmen von falschen, überzogenen Erwartungen. An Menschen, an Institutionen, an Gesellschaft, an Wissenschaft – an mich selbst. An Beziehungen, an Urlaub, an ein Leben in Lohnarbeit und mit Kindern. Ist das diese Entzauberung, die Banalität der Existenz?

Ich sehe, was gut ist, und ich fühle mich schlecht.
Ich möchte mein Recht auf Wut, Enttäuschung und Trauer behalten.
Wer hat mir das alles versprochen und nicht gehalten?

Ich lerne mehr, was mir gut tut. Raum und Zeit für meine Gedanken und Gefühle ist gut. Zeit und Raum für Übergänge ist wichtig. Es gibt den verletzten Wunsch nach Gemeinschaft und Gemeinsamkeit, aber eigentlich bin ich sehr gerne für mich. Ich mag meine Sparsamkeit und meine Routinen.

Da ist Stolz, dass ich den Mut aufgebracht habe, für all die Experimente, ein klassisches Trial and Error. Dass ich losgegangen bin mit der Angst im Nacken, in die Ungewissheit. Vielleicht ist die gespiegelte Coolness und Abgeklärtheit nur eine schweißgetränkte Schockstarre.

Gerade bin ich müde und ernüchtert von meinen Ausflügen in mögliche alternative oder supplementäre Welten. Und randvoll mit Erkenntnissen und Erfahrungen.
Und wenn ich ein bisschen ausgeruht und verdaut habe, ziehe ich wieder los in den erweiterten Handlungsspielraum – vielleicht mit einem feiner justierten Bedürfniskompass und einer nuancierteren Gefühlslandkarte.

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TRANS

Em | power – bodi | ment

Am Wochenende habe ich an einem Körpererfahrungs- und Empowermentworkshop für trans* und nicht-binäre Personen geleitet von Alexander Hahne (https://alexanderhahne.com/) und organisiert vom NGVT NRW (https://ngvt.nrw/koerpererfahrungsworkshop-fuer-trans-und-nicht-binaere-personen-mit-alexander-hahne/) teilgenommen. Fast wäre ich wegen absoluter Verpeiltheit an der Anmeldung gescheitert. Mensch, bin ich froh, dass ich dabei war. Kurzzusammenfassung zu Beginn: Es war ein sehr bestärkendes und berührendes Erlebnis, einen Raum mit anderen queeren Personen zu teilen und zu gestalten.

Es ist immer noch eine Überwindung für mich, mich auf Gruppensituationen (vor allem mit erstmal fremden Personen) und auf körper- und wahrnehmugszentrierte Bildungs- und Erfahrungsangebote einzulassen, da ich damit aufgrund von (sozialen) Ängsten bisher wenig Berührung hatte und wenn eher theoretisch-kognitiv orientierte Veranstaltungen besucht habe, wo ich als individuelle Person mit einer bestimmten Körperlichkeit (vermeintlich) keine Rolle gespielt habe bzw. im Hintergrund bleiben konnte.

Ich finde es unglaublich spannend, wie dort ein semi-privater, intim-öffentlicher Raum entstanden ist, in dem Körper, Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle wertfrei, größtenteils unkommentiert nebeneinander existieren können. Wo es möglich wird, aktuelle und generell wichtige persönliche Dinge auszusprechen, wo primär zugehört und verstanden wird.
Für mich hat das gesamte Setting (neben der Entwicklung und Reflexion, die ich davor schon selbst gemacht habe, um an diesen Punkt zu kommen) so viele unsichtbare Hürden abgebaut, die mich in anderen Kontexten hemmen, mich überhaupt zu zeigen und zu äußern. Es ist eine sehr schöne, bestärkende Erfahrung, mich als zugehöriger Teil einer Gruppe fühlen zu können und mich nicht fehl am Platz und randständig zu fühlen.

Es ist so simpel und gleichzeitig krass, was für einen Unterschied es für das Wohlbefinden und Erleben macht, die „Erlaubnis“ oder sogar explizite Aufforderung zu bekommen, sich in einem Seminardispositiv frei bewegen und körperlich ausdrücken zu dürfen, wie es eins authentisch und intuitiv erscheint. Es lässt deutlich werden, wie reglementiert der Raum und Körper in ihm in der Regel sind, was implizit als „angemessen“ und „normal“ gilt. Es ist so eine Erleichterung, dass nicht jede körperliche Regung als Indikation für Aufmerksamkeit gewertet und entsprechend fokussiert wird.

Neben der Erkenntnis dieses Befreiungspotenzials hat mir außerdem besonders gut gefallen und mich erstaunt, wie es möglich ist, nicht nur physisch, sondern auch thematisch innerhalb einer Gruppenkonstellation den Fokus auf das Individuum zu legen – auf die eigenen Bedürfnisse, Fragestellungen und Grenzen. Ich dachte für mich immer, dass es einer Art von Integration und Anpassung auf etwas Gemeinsames, eine Art Schnittmengenfokussierung innerhalb von Gruppen geben muss, damit „es funktioniert“ oder „richtig ist“.
Wahrscheinlich ist diese fälschliche Ansicht dem Normativitätsdruck in der Dominanzgesellschaft geschuldet, wo es meistens so abläuft und sich aufgrund dessen marginalisierte Personen aus diesen Räumen zurückziehen – wie ich auch, weil wir in diesem gemeinsamen Resteschnipsel nicht mehr vorkommen, sondern herausgeschnitten sind.

Erholsam anders fand ich in diesem Workshopkonzept auch, dass es durch den oben beschriebenen Ansatz weniger um gesellschaftliche Diskriminierung (negativ besetzt und Kräfte raubend) ging und mehr um die eigenen Ressourcen und Zugehörigkeitserfahrungen im kleineren alltäglichen Rahmen (positiv besetzt und Kraft gebend). Es ging dabei nicht darum, diese Diskriminierungsstrukturen – und erlebnisse zu leugnen oder zu relativieren, sondern sie als gegebene Rahmenbedingung anzuerkennen, aber dieses Hintergrundrauschen für den Moment eher auszublenden. Die Idee war auch nicht eine Art toxischer Positivität, sondern queer joy und trans* empowerment zu zentrieren.

Dabei habe ich es als total bestärkend erlebt, andere trans* und nicht-binäre Personen real zu erleben und über sich, ihre Struggles und Träume sprechen zu hören. Es waren so starke Menschen dabei und gleichzeitig so eine große Offenheit für Verletzlichkeit und Unsicherheit. Es war toll und berührend, Personen zuversichtlich zu sehen, die sich gerade erst auf ihren Weg der Transition und gender journey gemacht haben, und wie Menschen, die schon länger unterwegs sind, neue Impulse bekommen haben oder einfach nur gesehen und gehört wurden – auch in ihrem Leid. Super wichtig und interessant fand ich in diesem Kontext den Hinweis auf die Unterschiedlichkeit der Bewertung und Reaktion auf bestimmte Gefühle und ihre Äußerung. Dass z.B. Traurigkeit viel eher akzeptiert und wertgeschätzt wird als z.B. Wut.

Die Erfahrung, dass eine vermeintlich homogene kleine Gruppe, in diesem Fall von trans* und nicht-binären Menschen in sich sehr heterogen sein kann, ist vielleicht banal. Ich finde es aber immer wieder wichtig, mir das selbst vor Augen zu führen, wie verschieden Lebensrealitäten, Wünsche und Interessen trotz konkreter (vermeintlicher) Gemeinsamkeiten sein können. Die Frage nach Community, Gemeinschaft(lichkeit), Zugehörigkeit, Sichtbarkeit und Repräsentation ist keine einfache – auch hier gibt es (natürlich) intersektionale Bezüge und Spannungen mit einem imaginierten queeren Mainstream.

Durch eine simple Übung von Führen und Folgen konnte ich für mich noch einmal praktisch erleben, was mich in den letzten Monaten in größeren Handlungskontexten stark beschäftigt hat und woran ich arbeite(n möchte). Sicherlich habe ich das Ganze auch nur durch die eh schon hohe Awareness für dieses Thema so wahrgenommen und eingeordnet.
Ich kann mich gut fallen und führen lassen, habe großes Vertrauen in bestimmte Personen und genieße bis zu einem gewissen Punkt die Entspannung, Sorg- und Verantwortungslosigkeit, die mir diese Anpassung und Bindung ermöglicht. Irgendwann kippt die Situation und ich möchte selbst wieder mehr in die Autonomie und Führungsrolle, da mich der Kontrollverlust ängstigt und überfordert und mir das Gefühl der Selbstwirksamkeit fehlt. Diese Grenze konnte ich innerhalb der Übung sehr gut spüren und möchte diesen Punkt oder, wenn ich auf ihn zusteuere, auch im Alltag bewusster wahrnehmen und wenn überhaupt nur bewusst überschreiten.

Bis vor kurzem hatte ich gar keinen Zugang zu solchen Bildungsangeboten und eher Zweifel, dass das etwas Gutes für mich sein könnte. Ich bin froh, dass der Mut der Neugier beigesprungen ist und die Ängste und Widerstände leiser geworden sind. Wie auch nach dem Wochenende für Regenbogenfamilien im Monat davor ziehe ich für mich das Fazit, dass ich mehr solche Erfahrungen mit anderen queeren Menschen machen will, weil ich dort viel (Neues) über mich und andere lerne, sich neue Räume eröffnen und Impulse ergeben, die wichtig für mein Leben, mein Wohlbefinden und mich als Person sind.

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An dieser Stelle empfehle ich euch ganz generell die Angebote von Alexander Hahne sowie vom NGVT NRW.

Besonders schön und auch für den professionellen Kontext geeignet sind die Materialkarten, die Alexander Hahne mit Illustrationen von Momo Grace Schmülling für die „Sexuelle Bildung zu trans und nicht-binären Körperen“ erstellt hat: https://www.rootsofcompassion.org/Sexuelle-Bildung-zu-trans-und-nicht-binaeren-Koerpern-Materialkarten-fuer-Beratung-und-Workshops-Alexander-Hahne.

Instagram

Alexander Hahne: https://www.instagram.com/alexander_hahne/

NGVT NRW: https://www.instagram.com/ngvt_nrw/

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Leben

Freizeitkörperkulturgeschichte

In meiner Geschichte gab es eine Zeit, da hatte ich praktisch keinen Körper und theoretisch Freizeit. Darauf folgten Jahre ohne praktische Freizeit und einem theoretischen Körper und gerade habe ich eine Evolutionsstufe erreicht, in der ich praktisch und theoretisch (m)einen Körper und (m)eine Freizeit habe, also in der Theorie einen sehr praktischen Freizeitkörper.
Ich frage mich, was dieser Körper in seiner Freizeit alles hätte sein können, wenn ich früher die Form und den Raum für ihn gefunden hätte, die Kraft und das Zutrauen, die wir uns jetzt gegenseitig schenken (könn(t)en).

Wie ich so durch die Landschaft laufe, fällt mir auf, durch wie viele deutsche Berg-, Wald- und Seegebiete ich in meinem Leben schon gewandert bin und wie glücklich ich mich deshalb schätzen kann, könnte. Manchmal neige ich dazu zu glauben, alles in der Vergangenheit – vor der Lennwerdung – schlecht finden, abwerten zu müssen. Als dürfe es in meiner, der damaligen Form nicht zumindest in Teilen gut gewesen sein, was ich (mit anderen) erlebt habe. Wie immer erinnere ich mich vor allem stark an die Anstrengung, die permanente Anspannung. Ob und was ich überhaupt gegessen habe, keine Ahnung. Es ist ein Wunder, wie ich in diesem Zustand der Selbstenergievorenthaltung, diese Dinge tun konnte. Was (s)ich nährte, war ein gewisses Unterlegenheitsgefühl, das körperlicher Natur war, sich aber auch auf andere Freizeitaktivitäten erstreckte, und ich immer bei mir trug.

Jetzt, wo ich dieses kraftraubende Biest in weiten Teilen abgeschüttelt habe, das vor lauter Angst beständig auf die Bremse trat, kommt das kleine, zähe, unersättliche Tier, das ich bin, mehr und mehr zum Vorschein und in Fahrt. Ich könnte alles in Grund und Boden rennen. Diese körperliche Grenze der totalen Erschöpfung (oder Entspannung?) zu finden, scheint ein roter Faden in der Erzählung zu sein. Der Energieentzug unter erhöhter Aktivität hat es nicht gebracht, andere Körper mit meinem Körper erschaffen und nähren auch nicht – denn das kann mensch aus verschiedenen Gründen nur sehr begrenzt tun -, also drängt es meinen Körper weiter, sich in seiner Freizeit frei und entgrenzt zu fühlen. Es ist, als wäre ich kryokonserviert gewesen und meine ganze Kraft und Energie für diese Phase aufgehoben.

Es erstaunt mich ungemein, was ich über mich (selbst) lerne, seitdem ich mir 1 Lennz mache. Mir wurde gesagt, ich sei extrem, radikal und konsequent. Und es stimmt – auch wenn ich denke, dass ich viel weicher geworden bin, in vielen Dingen. Ich erschien mir immer so leise, zurückhaltend und dezent. Wahrscheinlich schließt es sich nicht aus. Nun erkenne ich also, dass ich körperliche Reize suche, um mich zu fühlen. Ich spüre gern den Boden unter meinen Füßen. Ich fahre mit den Fingern über Oberflächen. Ich brauche knackiges Essen, an dem mensch kauen muss. Ich mag eiskaltes und heißes Wasser auf meiner Haut. Ich liebe es, Sex zu haben und generell in Bewegung zu sein, weil ich dann nur noch Körper und voller guter Gefühle bin. Und frei habe von meinen Gedanken oder diese ordnen kann. (Bestimmte) Sensorische Wahrnehmungen beruhigen und beglücken mich.

Seitdem ich eine theoretisch-praktische Freizeitkörperkultur habe, stellt sich eine naiv hedonistische Erwartung ein, immer das Optimum an Freizeit und Körperlichkeit herausholen zu wollen und zu müssen. Das kann nur schief gehen.
Entweder scheitere ich an mir selbst, weil ich mir immer noch eine optimalere Nutzung oder perfektere Option vorstellen könnte (oder erst gar nicht weiß, was ich gerade grundsätzlich will; oder den zeitlichen Aufwand, die finanzielle Investition, die soziale Interatkion scheue, weil ich unsicher bin, ob dies das gefühlte Er(g/l)ebnis rechtfertigt), oder ich scheitere an anderen, die – verständlicherweise – meine Bedürfnisse und Wünsche nur in Schnittmengen oder in dem Moment gar nicht teilen. Die ausgeprägte Unverfügbarkeit der absoluten Stimmigkeit ist eine außerordentliche Unverschämtheit.

Manchmal schäme ich mich für meine weitenteils unbegründete Undankbarkeit und Unzufriedenheit, weil ich mir vorkomme wie ein trotziges Kind, das das bestellte Erdbeereis bekommen hat, aber doch lieber die Pommes gehabt hätte oder beides oder doch lieber das Ninjagoheft und nicht gleich erst, wenn es in das Gesamtgefüge passt, sondern jetzt sofort. Vielleicht ist es die Gier nach der Wüste, dass ich nur noch in der Oase leben will, rundrum bestmöglich bewässert.
Doch ich wachse auch so. Vor allem seitdem ich mir selbst nicht mehr das Wasser abgrabe.

Es fällt mir schwer, meine Abhängigkeit von anderen zu akzeptieren. Ich muss mich immer wieder in meiner Autonomie sonnen und mich meiner eigenen Widerstandsfähigkeit vergewissern. Oft verzichte ich lieber auf Möglichkeiten, um Ungewissheit, Konflikte und Kontrollverlust zu vermeiden, die mit Bindung kommen. Ich glaube, mir fehlen einige Beziehungserfahrungen aller Art, ein Repertoire an sozialem Training, das ich verpasst habe in den Zeiten der Isolation, im Zombiemodus. Einige Ängste sind noch da und hemmen mich.

Mein Gefühl sitzt teilweise noch ängstlich in der Vergangenheit, während mein gegenwärtiger Körper viel freier und selbstbewusster sein könnte. Kommentierte und kontrollierte Körper und Gefühle entfalten sich langsam. Es ist schwer, das innere zwölfjährige Kind hinter mir zu lassen, das ich jahrelang, auch in projizierten Augen anderer, war. Eine trans-masc Transition hilft da auch erstmal nur bedingt – zumindest konnte ich so nochmal sechszehn sein. Ich reagiere oft mit Schockstarre auf ‚negative’ Stimmungen und Auseinandersetzungen und brauche lange, um mich selbst wieder zu stabilisieren und ins selbstbewusste Handeln zurückzufinden. Ich merke ich werde besser darin. Es ist viel innere Arbeit.

Vielleicht ist mein Körper einer, der nicht viel Freizeit braucht. Oder ich muss noch besser lernen, meinen Körper und meine Freizeit zu kultivieren.
Vielleicht ist es ok, in der eigenen Freiheit und Körperlichkeit oft ambivalent und eher melancholisch als zufrieden oder euphorisch zu sein.
Und jeden Moment bewusst wahrzunehmen, in dem alles stimmt.

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Unterwegs

Miniathür VI

Nachbarschaftshilfe und Lokalpatriotismus stabil in Brotterode. Mit den Dorffahnen weht und wettert Hildegard aus dem Fenster und verscheucht uns rechtmäßig vom Parkplatz. Manfred und Reinhard huckeln mit ihren Maschinen über den Schotter an der Schanze, ein außen mit Spitze besetzter schwarzer Schmetterling fliegt auf.

Trommel-, Klangschalen-, und Alublechklänge begleiten uns rund um die Alte Eisenbahnbrücke. Der Weg ist ausgewaschen, es plätschert hier und da – der Wetterzauber scheint bewehrt. Kunstvoll und künstlich angelegt lockt der Wasserfall im Trusetal nicht den Regen, sondern die Leute. Die meisten bleiben befriedigt unten, kühl tropft das Eis und Aperol. Dem Springkraut und uns gefällt das. Oben lassen wir uns mit Bratwurstduft und Sprühwasser benebeln.

Mit erfrischten Füßen geht es dann durch Elmenthal. Akkurat ruhen hier die Steine schwarz und weiß in ihren Gärten, die Geranien in den bunten Blumenkübeln und die Wäsche wackelt duftend auf der Leine. Kois drehen stoisch ihre Runden im Teich von Hans-Georg Maaßens Wahlkreisbunker unbeeindruckt vom Industrial Chic in Rostbraun.

Nach dem Aufstieg begrüßen uns tückische Mücken am Wallenburger Turm und machen uns die Pause madig. Doch endlich kommt mein Conni-Moment und es gibt einen Wanderstempel auf den Unterarm. Willkommen im Club der queeren Wandersocken. Viel cooler noch als ich, düst Friederich mit seinem Trabi um die Kurve. Aber so sexy legs wie wir, die hat er nicht.

Mountainbike-Man brettert über den Kies und glatt vorbei an Himbeerheaven. Wir sammeln uns zwei Dosen voll und sind gestärkt für Hermannsblick und Mommelstein. Durch grasig-dorniges Gestrüpp schlagen wir uns durch zum Grand Finale, bis rauf zur Schanze Inselberg. Nur echt mit Sven Hannawald-Pose und mähendem Schanzenschaf!

Die Schuhsohle ist durchgelaufen, es kann also nach Hause gehen.

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Unterwegs

Miniathür V

Beim Frühstück saue ich mich großfleckig und zunächst unbemerkt mit Schokocreme ein. Was besonders ärgerlich ist, da ich meinen liebsten 3€-Flohmarktfundpulli bei dem leicht ergrauten Wetter gut hätte ausführen können. Vielleicht ist der Bäckereifachverkäuferin auch Brotaufstrich über das Leben gelaufen, ich verlange unvergoren und kaltschnäuzig Stachelbeerkuchen und Kalten Hund.

In Tambach-Dietharz ist auf jeden Fall einer begraben und warm ist er bestimmt nicht mehr. Fliegenschwärme steigen laufend aus kuhlen Feuchtgebieten auf – es ist ein bisschen wie eine nicht eintretende Zombieapokalypse – irgendetwas verwest hier unentwegt. Nach kurzer Zeit haben wir vom Asphalt die Schnauze voll und stapfen Rotkäppchen like ins Unterholz. Der App gefällt das nicht und so komoot es, während wir über Stein und Zapfen kraxeln, not amused: „Du hast die Route verlassen. Wirf einen Blick auf die Karte.“ Wir ignorieren das gekonnt und werfen lieber einen Blick vom Fels auf das schmale Wasser und staunen breit. (K)ein norwegisches Fjord, (k)ein schottisches Loch liegt zu unseren Füßen. Mal rodierte Baumstammknochenkunst und Grashüpferballett wird zwischen gelben Blüten und langen Gräsern am Ufer aufgeführt.

Das Röllchen ist ganz wunderbar – wie diese (DE)Tour generell. Es plätschert, es wurzelt, es moost überall. Wie die Geier sitzen Volker und Karin lauernd plaudernd auf der Brücke und pellen ihre hart verdienten Eier. Im Mitsubishi braust der Staumeister ums Eck, also ziehen wir weiter Richtung Falkenstein. Der Teich wär Amadeus und Sabrina kein Wassergraben mehr, das Wasser hat ihm der Sommer schon längst abgegraben. An Meister Eckhards Eisenketten erklimmen wir den Alternfels und beobachten gesättigt und erheitert, wie sich die Ameisen ritterlich im Brötchenkrümelwettlauf und Frühlingszwiebelringstechen schlagen.

Rückwärts wählen wir gleich den Forstweg. Hohe Bäume, wohin das Auge reicht, weicher Boden, wohin der Fuß tritt. Das Städtchen finden wir weiterhin verschlafen vor. Die Menschen sind nicht an der Staumauer, sie stauen sich bei REWE an der Kasse. In Geduld gemessen dauert der Wasserkauf mindestens so lange wie die Wanderung. Doch: viel Moos befühlt, ein paar Baumvulven gestreichelt und harzige Löcher geleckt.

Es war mir ein Fest.