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Am Wochenende habe ich an einem Körpererfahrungs- und Empowermentworkshop für trans* und nicht-binäre Personen geleitet von Alexander Hahne (https://alexanderhahne.com/) und organisiert vom NGVT NRW (https://ngvt.nrw/koerpererfahrungsworkshop-fuer-trans-und-nicht-binaere-personen-mit-alexander-hahne/) teilgenommen. Fast wäre ich wegen absoluter Verpeiltheit an der Anmeldung gescheitert. Mensch, bin ich froh, dass ich dabei war. Kurzzusammenfassung zu Beginn: Es war ein sehr bestärkendes und berührendes Erlebnis, einen Raum mit anderen queeren Personen zu teilen und zu gestalten.

Es ist immer noch eine Überwindung für mich, mich auf Gruppensituationen (vor allem mit erstmal fremden Personen) und auf körper- und wahrnehmugszentrierte Bildungs- und Erfahrungsangebote einzulassen, da ich damit aufgrund von (sozialen) Ängsten bisher wenig Berührung hatte und wenn eher theoretisch-kognitiv orientierte Veranstaltungen besucht habe, wo ich als individuelle Person mit einer bestimmten Körperlichkeit (vermeintlich) keine Rolle gespielt habe bzw. im Hintergrund bleiben konnte.

Ich finde es unglaublich spannend, wie dort ein semi-privater, intim-öffentlicher Raum entstanden ist, in dem Körper, Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle wertfrei, größtenteils unkommentiert nebeneinander existieren können. Wo es möglich wird, aktuelle und generell wichtige persönliche Dinge auszusprechen, wo primär zugehört und verstanden wird.
Für mich hat das gesamte Setting (neben der Entwicklung und Reflexion, die ich davor schon selbst gemacht habe, um an diesen Punkt zu kommen) so viele unsichtbare Hürden abgebaut, die mich in anderen Kontexten hemmen, mich überhaupt zu zeigen und zu äußern. Es ist eine sehr schöne, bestärkende Erfahrung, mich als zugehöriger Teil einer Gruppe fühlen zu können und mich nicht fehl am Platz und randständig zu fühlen.

Es ist so simpel und gleichzeitig krass, was für einen Unterschied es für das Wohlbefinden und Erleben macht, die „Erlaubnis“ oder sogar explizite Aufforderung zu bekommen, sich in einem Seminardispositiv frei bewegen und körperlich ausdrücken zu dürfen, wie es eins authentisch und intuitiv erscheint. Es lässt deutlich werden, wie reglementiert der Raum und Körper in ihm in der Regel sind, was implizit als „angemessen“ und „normal“ gilt. Es ist so eine Erleichterung, dass nicht jede körperliche Regung als Indikation für Aufmerksamkeit gewertet und entsprechend fokussiert wird.

Neben der Erkenntnis dieses Befreiungspotenzials hat mir außerdem besonders gut gefallen und mich erstaunt, wie es möglich ist, nicht nur physisch, sondern auch thematisch innerhalb einer Gruppenkonstellation den Fokus auf das Individuum zu legen – auf die eigenen Bedürfnisse, Fragestellungen und Grenzen. Ich dachte für mich immer, dass es einer Art von Integration und Anpassung auf etwas Gemeinsames, eine Art Schnittmengenfokussierung innerhalb von Gruppen geben muss, damit „es funktioniert“ oder „richtig ist“.
Wahrscheinlich ist diese fälschliche Ansicht dem Normativitätsdruck in der Dominanzgesellschaft geschuldet, wo es meistens so abläuft und sich aufgrund dessen marginalisierte Personen aus diesen Räumen zurückziehen – wie ich auch, weil wir in diesem gemeinsamen Resteschnipsel nicht mehr vorkommen, sondern herausgeschnitten sind.

Erholsam anders fand ich in diesem Workshopkonzept auch, dass es durch den oben beschriebenen Ansatz weniger um gesellschaftliche Diskriminierung (negativ besetzt und Kräfte raubend) ging und mehr um die eigenen Ressourcen und Zugehörigkeitserfahrungen im kleineren alltäglichen Rahmen (positiv besetzt und Kraft gebend). Es ging dabei nicht darum, diese Diskriminierungsstrukturen – und erlebnisse zu leugnen oder zu relativieren, sondern sie als gegebene Rahmenbedingung anzuerkennen, aber dieses Hintergrundrauschen für den Moment eher auszublenden. Die Idee war auch nicht eine Art toxischer Positivität, sondern queer joy und trans* empowerment zu zentrieren.

Dabei habe ich es als total bestärkend erlebt, andere trans* und nicht-binäre Personen real zu erleben und über sich, ihre Struggles und Träume sprechen zu hören. Es waren so starke Menschen dabei und gleichzeitig so eine große Offenheit für Verletzlichkeit und Unsicherheit. Es war toll und berührend, Personen zuversichtlich zu sehen, die sich gerade erst auf ihren Weg der Transition und gender journey gemacht haben, und wie Menschen, die schon länger unterwegs sind, neue Impulse bekommen haben oder einfach nur gesehen und gehört wurden – auch in ihrem Leid. Super wichtig und interessant fand ich in diesem Kontext den Hinweis auf die Unterschiedlichkeit der Bewertung und Reaktion auf bestimmte Gefühle und ihre Äußerung. Dass z.B. Traurigkeit viel eher akzeptiert und wertgeschätzt wird als z.B. Wut.

Die Erfahrung, dass eine vermeintlich homogene kleine Gruppe, in diesem Fall von trans* und nicht-binären Menschen in sich sehr heterogen sein kann, ist vielleicht banal. Ich finde es aber immer wieder wichtig, mir das selbst vor Augen zu führen, wie verschieden Lebensrealitäten, Wünsche und Interessen trotz konkreter (vermeintlicher) Gemeinsamkeiten sein können. Die Frage nach Community, Gemeinschaft(lichkeit), Zugehörigkeit, Sichtbarkeit und Repräsentation ist keine einfache – auch hier gibt es (natürlich) intersektionale Bezüge und Spannungen mit einem imaginierten queeren Mainstream.

Durch eine simple Übung von Führen und Folgen konnte ich für mich noch einmal praktisch erleben, was mich in den letzten Monaten in größeren Handlungskontexten stark beschäftigt hat und woran ich arbeite(n möchte). Sicherlich habe ich das Ganze auch nur durch die eh schon hohe Awareness für dieses Thema so wahrgenommen und eingeordnet.
Ich kann mich gut fallen und führen lassen, habe großes Vertrauen in bestimmte Personen und genieße bis zu einem gewissen Punkt die Entspannung, Sorg- und Verantwortungslosigkeit, die mir diese Anpassung und Bindung ermöglicht. Irgendwann kippt die Situation und ich möchte selbst wieder mehr in die Autonomie und Führungsrolle, da mich der Kontrollverlust ängstigt und überfordert und mir das Gefühl der Selbstwirksamkeit fehlt. Diese Grenze konnte ich innerhalb der Übung sehr gut spüren und möchte diesen Punkt oder, wenn ich auf ihn zusteuere, auch im Alltag bewusster wahrnehmen und wenn überhaupt nur bewusst überschreiten.

Bis vor kurzem hatte ich gar keinen Zugang zu solchen Bildungsangeboten und eher Zweifel, dass das etwas Gutes für mich sein könnte. Ich bin froh, dass der Mut der Neugier beigesprungen ist und die Ängste und Widerstände leiser geworden sind. Wie auch nach dem Wochenende für Regenbogenfamilien im Monat davor ziehe ich für mich das Fazit, dass ich mehr solche Erfahrungen mit anderen queeren Menschen machen will, weil ich dort viel (Neues) über mich und andere lerne, sich neue Räume eröffnen und Impulse ergeben, die wichtig für mein Leben, mein Wohlbefinden und mich als Person sind.

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An dieser Stelle empfehle ich euch ganz generell die Angebote von Alexander Hahne sowie vom NGVT NRW.

Besonders schön und auch für den professionellen Kontext geeignet sind die Materialkarten, die Alexander Hahne mit Illustrationen von Momo Grace Schmülling für die „Sexuelle Bildung zu trans und nicht-binären Körperen“ erstellt hat: https://www.rootsofcompassion.org/Sexuelle-Bildung-zu-trans-und-nicht-binaeren-Koerpern-Materialkarten-fuer-Beratung-und-Workshops-Alexander-Hahne.

Instagram

Alexander Hahne: https://www.instagram.com/alexander_hahne/

NGVT NRW: https://www.instagram.com/ngvt_nrw/

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